„Man wünscht sich, dass auch die SPD-Kollegen mit der Arbeit beginnen“

Üblicherweise werden jeder neuen Regierung 100 Tage Schonfrist gegeben. Die Minister dürfen sich mit ihren neuen Aufgaben vertraut machen – bevor ein erstes Fazit gezogen wird.

Doch die aktuelle Regierung bekommt diese 100 Tage nicht. Allerdings sind es nicht die politischen Beobachter, die sich über die Arbeit der Minister mokieren. Es sind die Berliner Politiker selbst, die sich attackieren.

Das Paradebeispiel lieferte am Montag CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, indem er dem Koalitionspartner von der SPD Tatenlosigkeit vorwarf.

„Ich stelle fest, dass die Unionsminister sehr gut in ihre Ämter gekommen sind. Die mediale, öffentliche Debatte wird mit den Themen der Unionsminister bestimmt“, sagte Dobrindt am Montag vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Das sei ausgezeichnet. „Jetzt wünscht man sich, dass auch die Kollegen der SPD auch mit der Arbeit beginnen.“ Die Unionsminister sollten Vorbild für die SPD sein.

Mit Blick auf die schlechte Stimmung in der Großen Koalition zwischen SPD und Union gab sich Dobrindt gelassen: „Harmonie ist etwas, was sich in Wellenbewegungen auf und ab bewegt.“ Für CSU und CDU gehe es nicht um Harmonie sondern um die Inhalte: „Wir erwarten Vertragstreue der SPD, dazu gehört, dass das, was im Koalitionsvertrag steht, auch genauso umgesetzt wird.“

Beim Thema Familiennachzug sei der Koalitionsvertrag glasklar. „Da ist von einer Begrenzung auf 1000 Fälle in humanitären Einzelfällen die Rede, nicht von 1200 pro Monat, nicht von 1500 pro Monat, sondern von 1000 pro Monat. Jegliche Umdeutung oder Neuinterpretation verbietet sich da, das sind wir auch nicht bereit zu akzeptieren.“

Besprechen wird die Koalition diese Themen am Dienstag und Mittwoch auf ihrer Kabinettsklausur in Meseberg. „Ich erwarte von der morgigen Klausurtagung, dass die Bundesregierung jetzt einen Zeitplan vorlegt, wann sie was umsetzt“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Es sei wichtig, „dass jetzt Politik gemacht wird, nicht mit Interviews, sondern mit konkreten Gesetzen.“

Zur Kritik von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles an Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte Laschet, dass es der Sinn von Klausurtagungen sei, dass man sich besser kennenlerne. „Das Persönliche muss stimmen, in der Sache kann man streiten.“

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles hatte Seehofer und Spahn am Wochenende vorgehalten, es gehe ihnen „viel zu sehr um Eigenprofilierung“.

CDU-Vize Julia Klöckner wies die Forderung von Nahles nach einem Machtwort der Kanzlerin zurück. „Wir sind ja nicht in einem Nanny-Staat“, sagte die Landwirtschaftsministerin. Zu einer offenen Gesellschaft gehöre, dass man auch Regierungsmitglieder und führende Parteipolitiker nicht in eine „Fachschublade“ stecke, sondern auch zu anderen Themen mitdiskutierten.

CSU-Chef Horst Seehofer sprach in München davon, dass das Treffen in Meseberg „eine ganz normale Arbeitsklausur des Kabinetts“ sei. Er riet der SPD zu mehr Gelassenheit.

Die SPD fährt mit Rückenwind nach Meseberg. Laut einer Forsa-Umfrage können sie Sozialdemokraten in der Wählergunst wieder zulegen. In dem am Montag veröffentlichten RTL/n-tv-Trendbarometer steigt die SPD um zwei Prozentpunkte auf 20 Prozent. Die Union liegt bei 32 Prozent (minus eins), die Grünen bei elf (minus eins). FDP (neun Prozent), Linke (zehn Prozent) und AfD (13 Prozent) sind unverändert.

Auch die designierte SPD-Parteichefin Andrea Nahles kann im direkten Vergleich mit der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel zulegen.

In der Frage der Präferenz bei einer direkten Kanzlerinnenwahl liegt Merkel mit 49 Prozent klar vor Nahles mit 13 Prozent, verliert aber zwei Punkte. Bei einer Wahl zwischen Merkel und Finanzminister Olaf Scholz votierten 44 Prozent für Merkel, 21 Prozent für den SPD-Politiker. Forsa befragte für die Umfrage 2005 Bürger zwischen dem 3. und 6. April.