Was Sie über die Anklage gegen Martin Winterkorn wissen müssen

Nach Bekanntwerden des Dieselskandals war Martin Winterkorn als VW-Chef zurückgetreten. Damals lobte ihn der Aufsichtsrat dafür, Verantwortung für die Affäre zu übernehmen – angeblich ohne persönliche Kenntnis über die Abgasmanipulationen gehabt zu haben. Nun holt ihn die Affäre ein. Er wurde am Donnerstag vor einem Gericht in Detroit angeklagt.

Was wird Winterkorn vorgeworfen?

Die US-Staatsanwaltschaft wirft Winterkorn und fünf Mitangeklagten vier Vergehen vor. Sie sollen:

  • die US-Behörden wissentlich in die Irre geführt zu haben, indem sie vorgaben, US-Abgasvorschriften erfüllen zu können, um die nötigen Zulassungsdokumente für Diesel-Autos zu bekommen.

  • Diesel-Autos an US-Verbraucher verkauft haben, obwohl sie wussten, dass die Fahrzeuge die US-Abgasvorschriften nicht erfüllen.

  • US-Verbraucher in die Irre geführt zu haben, indem sie VW-Dieselautos als umweltfreundliche, „saubere Diesel“ vermarktet haben.

  • den Betrug vor den Behörden, Kunden und der US-Öffentlichkeit verschleiert haben.

Wer ist außer Winterkorn angeklagt?

Neben Winterkorn klagt die Staatsanwaltschaft auch gegen die Manager Richard Dorenkamp, Heinz-Jakob Neusser, Jens Hadler, Bernd Gottweis und Jürgen Peter. Besonders die Rolle von Gottweis und Neusser betont die Anklageschrift. Die beiden Manager sollen Mitarbeiter zur Entwicklung der VW-Betrugssoftware ermutigt haben, obwohl ihnen klar gewesen sei, dass diese Software dem Betrug diene.

Was unterscheidet die jüngste Klage von den früheren Klagen gegen VW?

Die neue Klage ist besonders, weil sie sich nicht – wie früher – gegen den gesamten Konzern, sondern gezielt gegen konkrete Personen an der Spitze von Volkswagen richtet. Zuvor hatte Volkswagen – als Konzern – bereits seine Schuld vor einem Gericht in Kalifornien eingestanden und Strafzahlungen in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar akzeptiert. Dabei dürfte die frühere Klage für die gegenwärtige Klage den Boden bereitet haben.

Was droht Winterkorn, sollte er für schuldig befunden werden?

Die Strafen für Winterkorn und seine Mitarbeiter könnten durchaus ernst sein. Denn während ein Konzern lediglich zu Strafzahlungen verurteilt werden kann, müssen Einzelpersonen mit Gefängnis rechnen.

Und mit VW-Managern verfahren die US-Gerichte nicht sonderlich zimperlich, wie das Urteil eines Bezirksgerichts in Detroit gegen den VW-Manager Oliver Schmidt zeigt. Dieser wurde zu sieben Jahren Gefängnis sowie zu einer Geldstrafe von 400.000 Dollar wegen seiner Rolle bei den VW-Abgasmanipulationen verurteilt.

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Allerdings dürfte Winterkorn einem solchen Schicksal entgehen. Denn Deutschland liefert keine Staatsangehörigen an die USA aus. Der Prozess könnte zwar auch ohne Winterkorn stattfinden. Allerdings könnte das Urteil nicht vollzogen werden können, solange er nicht in die USA oder in ein Land, das nach US-Strafrecht Verurteilte an die USA ausliefert, reist.

Noch ist der Manager nicht inhaftiert und hält sich laut Informationen der Deutschen-Presse-Agentur in Deutschland auf.

Wie reagiert Volkswagen auf die neue Anklage?

Der Autokonzern wurde von der Nachricht auf der Hauptversammlung am Donnerstag überrascht. Das Unternehmen wollte sich zu dem Verfahren zunächst nicht äußern, sagte aber, es kooperiere „weiterhin vollumfänglich mit dem US-Justizministerium (DOJ) in Bezug auf Handlungen von Individuen.“

Auch für die Anwälte des Ex-VW-Chefs kam die jüngste Anklage offenbar überraschend. „Wir sind über die Anklage erstaunt. Die Anklageschrift nehmen wir zur Kenntnis. Das weitere Vorgehen werden wir klären“, sagte Winterkorn-Anwalt Felix Dörr dem Handelsblatt.

Wie reagieren die Volkswagen-Anleger?

Anders als bei früheren Strafverfahren hat die Winterkorn-Anklage die Volkswagen-Anleger kalt gelassen. Die Papiere des Autobauers notieren knapp im Minus bei 172 Euro. Rechnet man den Dividendenabschlag heraus, liegen sie sogar 2,3 Prozent im Plus. Im Jahresvergleich hat die VW-Aktie gut ein Fünftel an Wert gewonnen.