Filmkritik Berlinale-Special: „Les Adieux à la Reine“ (Leb wohl, meine Königin)

Das Historiendrama "Les Adieux à la Reine“ hat die 62. Filmfestspiele in Berlin eröffnet. Im Anschluss an die Gala im Berlinale Palast wurde dem prominenten Publikum der französische Film von Benoit Jacquot gezeigt: Die erste Weltpremiere der diesjährigen Berlinale! Richtige Begeisterungswogen konnte der Film bei den anspruchsvollen Gästen allerdings nicht auslösen. Tobender Applaus hört sich anders an, man klatschte bescheiden. Bescheiden bis nicht vorhanden, waren auch die Statements der Zuschauer danach. Uber "Les Adieux à la Reine“ wollte sich keiner so recht äußern. Wollte niemand der anwesenden Schauspieler und Filmschaffenden zugeben, dass das Historiendrama einen Daumen runter verdient oder waren die vorher so gesprächigen Promis plötzlich redefaul? Ansehen oder nicht? Yahoo! Kino verrät, ob sich ein Kinobesuch (und vor allem das lange Anstehen für ein Ticket) lohnt:


Worum es geht

Frankreich, 1789. Auf den Straßen beginnt mit dem Sturm auf die Bastille die Revolution. Der König von Frankreich wird in der Nacht mit diesen Neuigkeiten geweckt. Im Palast macht sich Unruhe und Angst breit. "Les Adieux à la Reine“ schildert nicht die aufkeimende Revolution an sich. Der Fokus bleibt stets im Innern des Königshauses. Erzählt wird die verbreitende Angst in den drei Tagen nach dem Sturm auf die Bastille aus der Sicht des Dienstmädchens Sidone Laborde (Léa Seydoux). Sie ist die persönliche Vorleserin der Königin Marie Antoniette (Diane Kruger). Als Angestellte kommt sie ihr ungewöhnlich nah. Die Königin teilt sogar ein intimes Geheimnis mit ihrer Vorleserin. Mit der Flucht aus Versailles bricht diese enge Beziehung, denn Sidonie muss erkennen, dass es der Königin in erster Linie doch nur um ihr eigenes Wohl geht…

Eine großartige Diane Kruger als bisexuelle Version von Marie Antoniette
Ebenso vernachlässigt, wie die erweiterte Perspektive außerhalb von Versailles, wird auch die Rolle des Königs. König Ludwig XVI hat lediglich kurze Auftritte, wirkt wie ein unsicherer Mann, dem zu viel Verantwortung aufgetragen wurde. Im Vordergrund stehen die Frauen. Drei unterschiedliche Frauen, die zusammen genommen das fallende Königshaus repräsentieren. Eine Dreifaltigkeit aus Schönheit, Gehorsam und Dominanz. Kein Wunder, denn Filmemacher Benoit Jacquot gilt als Frauenregisseur. Er selbst bezeichnet sicher eher als Regisseur der jungen Weiblichkeit. Ziel sei es, in die Psyche der Frau einzudringen und die Schönheit nach außen zu bringen. „Die Schönheit ist die Wiedergabe des Wahren“, zitiert Jacquot den Philosophen Platon. „Kino ist das Instrument der Wahrheit.“ Aber hat ein Historiendrama mit einer erfundenen Figur in der Hauptrolle noch etwas mit Wahrheit zu tun?  Ja, denn diese liegt doch viel mehr in der Botschaft des Films, als in der Wiedergabe der Realität. Jacquot kreiert zusätzlich eine neue Seite von Marie Antoniette. Seine Version der Königin fühlt sich zu einer Frau hingezogen. Nennen wir es mal die bisexuelle Version von Marie Antoinette, deren Gefühle nicht erwidert werden. „Selbstzerstörerisch, verrückt und nicht lesbisch“, so sieht Diane Kruger ihre Figur. Und das soll der Zuschauer sehen. Dianes Ziel war es die Frau und nicht die Königin auf die Leinwand zu bringen.

Diane Kruger und Marie Antoniette durch ihre Wurzeln verbunden

Besonders hervorzuheben ist die Leistung von Diane Kruger. Nach „Barfuß auf Nacktschnecken“ ihre wohl beste Darstellung. Sie brilliert als moderne Marie Antoinette in einer fremden Sprache. Als Deutsche in einer anderen Sprache (Französisch des 18. Jahrhunderts!) zu spielen, als wäre es ihre Muttersprache, muss hoch gelobt werden. Diane Kruger ist ein Multitalent. Für ihre Rolle in "Les Adieux à la Reine“ musste sie nicht lange überredet werden. Obwohl sie Epochenfilme (vor allem die pompösen Kostüme) hasst, fühlte sie nach dem ersten Lesen des Drehbuchs eine besondere Verbundenheit zu ihrer Figur Marie Antoinette. Auch sie hat wie Diane selbst deutsche Wurzeln und ist in jungen Jahren in das fremde Paris gegangen. „Und meine Mutter heißt Maria-Theresia, muss ich noch mehr sagen?“. Zugegeben, die Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen.


Hat "Les Adieux à la Reine“ echte Chancen auf den Goldenen Bären?
Die Chancen stehen schlecht. "Les Adieux à la Reine“ ist durchaus ein sehenswerter Film. Doch für die höchste Auszeichnung der Berlinale fehlt das Besondere. Soll heißen, der Film weißt Mängel auf. Nach dem Film hat der Zuschauer das Gefühl, dass man tiefer in die einzelnen Charaktere hätte eintauchen wollen. Mitfühlen, verstehen. All das ist nur in einem begrenzten Rahmen möglich. Obwohl die drei großartigen Schauspielerinnen Léa Seydoux, Diane Kruger und Virginie Ledoyen uns einen Zugang zu den Figuren erspielen, die entscheidenden Emotionen und Gedankengänge bleiben verborgen. "Les Adieux à la Reine“ ist gut, aber für einen Bären nicht gut genug.

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