“The Tree of Life” – Buhrufe, aber Goldene Palme

Worum es geht
Vordergründig scheinen die O'Briens in einer Familienidylle im mittleren Westen der USA zu leben - feste Mahlzeiten im Kreise der Liebsten und sonntägliche Kirchengänge bestimmen das Zusammenleben. Eben eine ganz normale Familie in den 60er Jahren. Jack (Hunter McCracken/Sean Penn) ist der älteste der drei Brüder und - wie auch seine Mutter (Jessica Chastain) - mit einer Gabe gesegnet: Er sieht mit der Seele und entwickelt dadurch Liebe und Empathie. Sein Vater (Brad Pitt) kann für diese Lebensweise nur wenig Verständnis aufbringen, er will seinen Sohn stärken - auf das harte, reale Leben vorbereiten. Jack ist hin- und hergerissen zwischen den Idealen seiner Eltern und schnell werden ihm die Risse dieser Familie klar, die sie selbst nicht wahrhaben wollen. Hinzu kommen Krankheit, Leid und Tod - viel zu viel für eine Kinderseele. Schon bald verdüstert sich seine scheinbar heile Welt und wird zu einem undurchsichtigen Labyrinth. Auch im Erwachsenenalter fehlt ihm sein fester Platz im Leben. Ständig ist er auf der Suche nach dem großen Plan. Ein tiefgreifendes Ereignis führt ihn schließlich zu einer wunderbaren Erkenntnis...

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Von den Zuschauern Buhrufe, von der Jury die Goldene Palme
Ein Film spaltet die Kino-Gemeinde: In Cannes hagelte es für „The Tree of Life" nicht nur Lob, sondern auch ordentlich Buhrufe. Die Jury hingegen zeichnete den Film über das Leben von Regisseur Terrence Malick mit der Goldenen Palme aus. Aber warum gehen die Meinungen so weit auseinander?

Sagen wir mal, „The Tree of Life" ist ein sehr eigener Film und mit Sicherheit kein mainstreamiger Blockbuster - und das ist auch gut so. Leider aber driftet der Film, mit Brad Pitt und Sean Penn in den Hauptrollen, in das andere Extrem. Hier sprechen die Bilder, nicht die Schauspieler. Nicht einmal ein „Danke" für den Postboten ist drin. Zugegeben, ein paar Dialoge gibt es schon, hauptsächlich aber wird die Message des Films durch Bilder und ruhige, geflüsterte Worte aus dem Off transportiert. Was sich jetzt nach einem anspruchsvollen und sehenswerten Film anhört, ist in der Kinosaal-Realität sehr anstrengend. Vor allem, wenn eine 20-minütige Sequenz mit scheinbar sinnlos aneinandergereihten Bildern mitten im Film auftaucht. Abwechselnde Aufnahmen einer Wasserschlange, eines Vulkans, langsam veränderter Lichtpunkte oder Lavaeruptionen (und vielem mehr!) wirken zusammenhangslos und lassen einen viel zu großen Interpretationsspielraum. Es sind schöne - geradezu traumhafte Aufnahmen, aber was sollen sie in dem Film?

Der Zuschauer hat schnell den Eindruck, dass der Regisseur seine wundervollen Landschaftsaufnahmen noch irgendwie unterbringen musste. Dazu nutzt Malick zu den langen Kameraeinstellungen sehr viele Close-ups und untermalt sie - wenn überhaupt - mit einer Stimme aus dem Off oder orchestraler Musik. Das kann bei einer Filmlänge von 138 Minuten sehr anstrengend werden.


Ein fragmentarisches Werk aus verschiedenen Bild- und Wortfetzen
Brad Pitt spielt einen strengen Vater, der seine Söhne auf die harte Welt vorbereiten will und dabei zu verletzenden Mitteln greift. Der Hollywood-Star ist überzeugend und großartig, ebenso sein Kollege Sean Penn, der Pitts erwachsenen Sohn spielt. Leider aber lenken die wirren Schnitte und Zeitsprünge ein wenig von dem Können und der erbrachten Schauspielkunst ab. Gerade noch läuft Sean Penn gedankenverloren durchs Bild, Schnitt zu Brad Pitt und dann wieder zu einem der vielen verschiedenen Bilder. Das macht es dem Zuschauer schwer, sich in den Film zu denken und mit den Figuren mitzufühlen. Ständig springt die Zeit zwischen Vergangenheit, Gegenwart und einer scheinbar zeitlosen, fantastischen Ebene. Es wirkt eher wie ein fragmentarisches Werk aus verschiedenen Bildern und Monologfetzen. Der große Zusammenhang kommt dadurch abhanden.

Über Geschmack lässt sich eben am Besten streiten
„The Tree of Life" ist sicher kein Film für die breite Masse und trifft nur den Geschmack eines kleinen Filmfan-Kreises. Entweder geht man begeistert und euphorisch aus dem Kino oder aber ratlos und Kopf schüttelnd. Eines ist klar: „The Tree of Life" bietet ausreichend Stoff für anschließende Interpretations- und Verständnisfragen. Wer sich im Kino nur berieseln lassen will, der kann sich das Eintrittsgeld sparen.

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Bilder: Concorde